Eisklettern wird immer beliebter

So sorgt ihr für eure Sicherheit

Eisklettern wird immer beliebter

Das Eisklettern ist eine saisonale Sportart, bei der gefrorene Wasserfälle geklettert werden. Früher war diese Disziplin einigen wenigen Eingeweihten vorbehalten, die für das Klettern langer Routen im Hochgebirge trainierten. Bis heute hat sich das Eisklettern jedoch zu einer komplett eigenständigen Aktivität entwickelt. Mit jeder Wintersaison versuchen sich immer mehr kletterbegeisterte Menschen im Eisklettern, bewaffnet mit den neuesten Eispickeln und Steigeisen auf dem Markt.

Smartphones gehören ebenfalls zur Ausrüstung der Eiskletterer, und soziale Netzwerke sind zu einem wichtigen „Werbekanal“ für Kletterrouten geworden. Sie ermöglichen es, Informationen über den Zustand von Routen und Wetterverhältnisse zu übermitteln, erwecken aber auch in vielen Menschen einen gewissen Neid. Durch die globale Erwärmung verkürzen sich die Jahreszeiten. Eiswasserfälle bilden sich seltener und bleiben für eine kürzere Zeitdauer intakt. Daher sind inzwischen häufig mehrere Seilschaften zu sehen, die in ein und demselben Eiswasserfall unterwegs sind, der gerade auf Facebook „trendet“, oder der ganz einfach nur der einzige gefrorene Wasserfall im Tal ist.

Auch wenn es Freude macht, die Bergsteigerfamilie wachsen zu sehen, so ist die Kehrseite der Medaille eine unvermeidliche Überpräsenz in den Eiskletterrouten. Momentan erscheint es unmöglich, sich nur eine Seilschaft pro Eisfall vorzustellen. Diese Situation resultiert unweigerlich in einer potentiellen Zunahme von Unfällen.

Aus diesem Grunde sollten wir uns an einige wichtige Regeln erinnern, die unsere Sicherheitsreserven bei dieser tollen Aktivität erhöhen. Auch wenn manche dieser Tipps trivial erscheinen, sind alle Gegenbeispiele reale Situationen, die vor allem zu Saisonbeginn in den Routen stattgefunden haben.

Zunächst sollten wir uns vor Augen führen, dass Eisklettern nicht Sportklettern ist, sondern eine Spielart des Bergsteigens. Es erfordert höchste Konzentration, eine gründliche Analyse der Umgebung, der Bedingungen und unserer eigenen Fähigkeiten im Sinne unserer Autonomie und unseres individuellen Sicherheitsmanagements.

VOR DEM EINSTIEG, WÄHREND DER VORBEREITUNG

Warum dieser Eisfall?

Ist es meine eigene Entscheidung oder werde ich durch die Tatsache, dass jeder diese Route geklettert ist, verführt oder sogar „gepusht“?

Bereite dich auf die Route vor, indem du das Topo und detaillierte Karten der Gegend genau studierst.

Gibt es in diesem Sektor andere Alternativen?

Was geben die Informationen her?

Welcher Art sind die Informationen, die in den Netzwerken verbreitet werden? Wer verbirgt sich dahinter? Haben diese Leute Erfahrung im Klettern oder Eisklettern?

Orientiere dich an Fakten und lass dich nicht von Aussagen wie „es war total cool“ verleiten. Hole verschiedene Meinungen von einheimischen Kletterern oder Profis bezüglich der strukturellen Festigkeit, der Eisqualität, bestimmter Vorkommnisse (Eisabbrüche, fließendes Wasser, Risse usw.) ein.

Wie sind die Bedingungen am gewählten Tag?

Studiere sorgfältig den Wetterbericht und den Lawinenlagebericht – sind über dem Eisfall Lawinenabgänge möglich? Ist das Lawinenrisiko vertretbar? Sieh dir den Temperaturverlauf der letzten 10 Tage an, um einzuordnen, ob eines der folgenden 3 Risikoszenarien vorliegt:

– Ein deutlicher Temperaturanstieg,

– ein deutlicher Temperaturabfall,

– beträchtliche tägliche Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht.

Versuche auch, etwas über die Struktur des Eisfalls selbst herauszufinden – ist er freistehend oder gibt es Bereiche, die einstürzen könnten (Säulen, Stalaktiten)?

Ist deine Seilschaft dem angegebenen Schwierigkeitsgrad des Eisfalls gewachsen? (Fitness, Motivation, wer führt die Route?)

BEI DER ANKUNFT VOR ORT:

Studiere den Eisfall und identifiziere objektive Gefahren (Lawinen, herabfallendes Eis, andere Seilschaften usw.).

Wenn ich allein wäre, würde ich trotzdem hier klettern?

Gibt es Felsvorsprünge, die herabfallendes Eis stoppen würden?

Studiere den Routenverlauf, suche eine Linie, die ein gutes Vorankommen begünstigt und halte nach geschützten Sicherungs- und Abseilmöglichkeiten Ausschau.

AM FUSSE DES EISFALLS:

Wähle einen Standort, an dem du vor objektiven Gefahren geschützt bist und deine Ausrüstung sortieren kannst.

Setze zuerst deinen Helm auf!

WÄHREND DES AUFSTIEGS:

Gesicherter Stand:

Achte bei der Auswahl deiner Standplätze darauf, dass sie vor objektiven Gefahren (Lawinen, herabfallendes Eis oder Steinschlag, Sturz beim Vorstieg usw.) geschützt sind. Lerne, wie man natürlich geschützte Bereiche nutzt, z. B. Eishöhlen, Nischen unter blumenkohlförmigen Eisformationen, Felsüberhänge usw.

Zögere nicht, eine Seillänge zu verkürzen oder zu verlängern (ggf. auch eine Fortbewegung am gestrafften Seil), um eine ideale Position für den Standplatz zu finden.

Mit einem geschützten Stand ist immer nur die kletternde Person einer Seilschaft potentiellen Risiken ausgesetzt.

Noch etwas. Manchmal überrascht es zu beobachten, wie zwei Seilschaften Seite an Seite, in der Mitte eines Eisfalls, noch dazu in der Falllinie einer Rinne, die alles was von oben herabfällt kanalisiert, ihren Standplatz einrichten, und der Eisfall gleichzeitig der Gefahr eines Lawinenabgangs ausgesetzt ist. Oder, dass eine andere Seilschaft direkt darüber unterwegs ist und ein Standplatz mit Bohrhaken unter einem Überhang nicht weit entfernt und leicht zugänglich wäre...

Zuverlässiger Standplatz:

Es sollten keine Zweifel bezüglich der Zuverlässigkeit deiner Standplätze aufkommen. Sie müssen aus 2 bis 3 Eisschrauben bestehen. Eine Abalakov-Eisuhr ist ebenfalls immer möglich und erhöht die Zuverlässigkeit des Standplatzes.

Abseilen:

Der Aufstieg ist eine Sache, aber auch der Abstieg sollte nicht unterschätzt werden, vor allem unter möglichen Gefahrenstellen wie Stalaktiten oder im geneigten Gelände. Es ist immer hilfreich zu wissen, wie man sich am Ausstieg oder Einstieg eines Eisfalls verhält, um sich nicht zu exponieren. Eine Thermoskanne mit Tee, warme und trockene Wechselkleidung sowie ein paar Karabiner, Bandschlingen und ein Erste-Hilfe-Set mit Kompressionsverband dürfen im Rucksack nicht fehlen!

Achtung vor dem inneren „Schweinehund“:

ren spitzen, wenn du beim Stand deine innere Stimme hörst – „ach, hier brauche ich keine Schraube“, wenn das Eis nicht wirklich gut ist, oder „perfekt, hier kann ich eine alte Abalakov-Eisuhr wiederverwenden und Zeit sparen“, selbst wenn sich die Löcher genau unter einem bedrohlichen Eisschwert befinden. Übe das Setzen von Abalakov-Eisuhren, dann sind sie fertig, wenn dein Kletterpartner bei dir ankommt.

Vergiss nicht, dass es manchmal besser ist, Pläne zu ändern oder den Rückzug anzutreten als mit dem Hubschrauber heimzufliegen.

Um deine Kenntnisse zu vertiefen und weitere Einzelheiten zur Eisanalyse zu erhalten, empfiehlt sich das folgende Buch: „Glaces, Arts experiences et techniques“ (verfügbar in englischer und französischer Sprache).

Hier werden Daten zum Eisklettern rund um den Globus gesammelt: ICEFALL-DATA.ORG

VIEL SPASS BEIM KLETTERN, SEID VORSICHTIG UND GENIESST ES!

Nicolas Beauquis, seit über 20 Jahren begeisterter Eiskletterer, Bergretter bei der PGHM und Bergführer. Jérôme Blanc Gras, seit 30 Jahren passionierter Eiskletterer, neben Manu Ibarra Mitverfasser des Buchs „Glaces, Arts experiences et techniques“ (verfügbar in französischer Sprache) und Bergführer.